Der Digital Material Passport von S1SEVEN ist eine Software zur Nachweisführung über Materialherkunft und Nachhaltigkeit. Ab sofort ist er im SAP®-Store verfügbar und lässt sich in SAP S/4HANA integrieren. So ermöglicht er die Automatisierung und gemeinsame Nutzung von auditierbaren Qualitäts- und Nachhaltigkeitsdaten für die Stahl-, Metall- und Kunststoffindustrie. Im Interview mit stahl. gibt Hannes Stiebitzhofer, Chief Technology Officer und Mitbegründer der S1SEVEN GmbH, Einblicke in die Möglichkeiten des Tools.
stahl.: Herr Stiebitzhofer, nach Ihrer Aussage bietet der Digital Material Passport eine umfassende digitale Darstellung jeder Produktionscharge. Welche Daten bildet er ab?
Stiebitzhofer: Schauen wir zunächst, wie bislang verfahren wird. Wenn ich ein Stück Stahl kaufe, erhalte ich ein EN-10204-Zeugnis. Hierin stehen folgende Daten: Wer ist der Hersteller? Um welches Produkt handelt es sich? Wie viel Stahl habe ich gekauft? In welcher chemischen Zusammensetzung? Mit welcher Härte? Und welche Prüfungen wurden zwischen Hersteller und Kunden vereinbart?
Bei unserem Digital Material Passport kommen jetzt noch weitere Qualitätsmerkmale hinzu. Ein zentrales ist der Carbon Footprint: Welche Scope-3-Emissionen sind am Ende durch das Stück Stahl angefallen, das ich jetzt kaufe? Kaufe ich Stahl mit niedrigem oder mit hohem Carbon Footprint? Dies wird in Zukunft ein entscheidendes Verkaufskriterium sein. Denn viele Kunden verlangen für ihre Applikationen bereits heute grünen Stahl.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Anteil an Schrott, etwa Stahl oder Aluminium, das heißt, wie hoch ist die Recyclingquote?
Und drittens schließlich – mit Blick auf eine echte Kreislaufwirtschaft – bildet der Digital Material Passport die gesamte Reise ab, die der Stahl gemacht hat: vom Stahlhersteller zum Händler, dann vom Händler z. B. zum Brückenbauer, dann vom Brückenbauer zum Recycler – und dann schließlich wieder zu einem Stahlhersteller.
stahl.: Was genau ist der Vorteil der digitalen Materialdokumentation gegenüber einer analogen?
Stiebitzhofer: Die analoge Dokumentation erfolgt zurzeit noch in den meisten Fällen anhand von PDF-Dokumenten. Aber ein Großteil der Dokumente sind auch solche, die ausgedruckt, unterschrieben, gestempelt, eingescannt und per E-Mail verschickt wurden. Mit solchen Unterlagen tun sich Computer sehr schwer. Doch in Europa werden derzeit auf dieses Weise etwa 100 Millionen Dokumente pro Jahr auf den Weg geschickt. All diese Daten müssen aber erfasst werden. Das heißt, die Leute sitzen nun dort und tippen die Daten ab. Beim Digital Material Passport nutzen wir hingegen ein elektronisches Dokument. Dieses genügt einem gewissen Schema, sodass es ein Programmierer nur noch einlesen und in eine Datenbank schreiben lassen muss. Beim Digital Material Passport erzeugt der Hersteller kein PDF-Dokument mehr, sondern ein elektronisches Dokument, ein JSON-Dokument. Das transportiere ich durch das Gateway. Und dann kann das jeder einlesen. Die Datenhoheit liegt weiterhin beim Hersteller. Und damit kann man diesen Prozess auch ganz einfach automatisieren.
stahl.: SAP ist das das größte europäische Softwareunternehmen, und fokussiert sich schwerpunktmäßig auf die Abwicklung von Geschäftsprozessen. Welche Rolle spielt Ihr Unternehmen in diesem Zusammenhang?
Stiebitzhofer: Das ist schon ein großer Erfolg für uns, mit einer Firma wie SAP zu arbeiten. Rein technisch haben wir ein sogenanntes SAP Add-on entwickelt: ein Softwarepaket, das durch SAP zertifiziert wurde. Somit genügt es den Sicherheitsanforderungen und den Programmierstandards von SAP und passt in die Architektur. Mit diesem Modul erzeuge ich zunächst einen Lieferschein für eine Tonne Stahl, damit ein LKW ihn transportiert. Und parallel erzeuge ich das Zertifikat: den schargenspezifischen Digital Material Passport zu dieser Tonne Stahl. Der Digital Material Passport hat dann weiterhin noch die Funktion, die Daten zu erfassen, die im elektronischen Dokument der entsprechenden SAP-Datenbanktabelle vorliegen. Und daraus erzeugen wir ein elektronisches JSON-Dokument. Das Modul ist sehr praktisch, weil 96 Prozent aller Stahlhersteller SAP verwenden. Für die großen Hersteller sind nun alle diese relevanten Prozesse in SAP abgebildet.
Das Interview wurde am 16. Mai 2024 ursprünglich auf Metalverse publiziert.